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Zeitgeschehen
 

Felipes Hilferuf aus dem Gefängnis

Felipe Sánchez schildert Verhaftung, Folter und Gefängnis

TESTINOMIO DE FELIPE EN ALEMAN

Tlacolula, Oaxaca, México, 07 Februar 2007

Ich heiße Felipe Sánchez Rodríguez und bin 44 Jahr alt. Ich bin gelernter Kinderpfleger. Die Ausbildung habe ich im Juni 1991 in München, Deutschland abgeschlossen. Ich arbeite seit 13 Jahren im Bildungsprojekt „Centro de Apoyo para la educación y la creatividad Calpulli A.C.” im Stadtviertel Lomas de San Jacinto, Strasse 10 de marzo Nr. 122, Sector 5.

Im Moment bin ich in der Haftanstalt von Tanibet, Tlacolula, Oaxaca inhaftiert.

Die Regierung dieses Staates klagt mich der folgenden Verbrechen an: verbotene Vereinigung, Aufstand und Beschädigung fremden Eigentums. Diese Anschuldigungen basieren auf einem Bericht der Policía Federal Preventiva (PFP), den diese nach einer Operation am 25 November 2006 verfasste.

Was geschah...

Was geschah: An besagtem Samstag des Jahres 2006 begann ich wie jeden Tag mit meinen Hausarbeiten, während ich die Nachrichten im Radiosender „Radio Hit“ „La que buena“ anhörte. Durch dieses Medium erinnerte ich mich, dass an diesem Tag ein friedlicher Marsch stattfinden sollte, denn schon am Vortag (24.11.06) wurde dieser in der Tageszeitung „Noticias“ auf einer der inneren Seiten angekündigt. Der Aufruf forderte dazu auf, sich um 11 Uhr morgens vor dem Regierungssitz in Santa María Coyotepec zu versammeln.

Ich hatte noch einige Dinge zu erledigen: meine Wäsche in die Wäscherei bringen und eine Geldsumme zur Bank bringen, die einige Personen zur Unterstützung meiner Arbeit gespendet haben. Nachdem ich meine Wäsche zur Wäscherei gebracht hatte, ging ich zu einer Bankfiliale von Banamex in der Altstadt, aber sie war geschlossen. Ein Schild verwies auf die offenen Filialen und daher ging ich zur Filiale Periférico, wo ich gegen 1.45 Uhr nachmittags die Einzahlung machen konnte.Als nächstes nahm ich ein Taxi und fuhr dorthin, wo der Marsch verlaufen sollte. An der Kreuzung beim Flughafen stieg ich aus.

Als die Demonstranten den Punkt erreicht hatten, an dem ich wartete, liess ich sie an mir vorbeimarschieren, um zu sehen, in welches Kontingent ich mich einordnen könnte. Da ich keinen Bekannten oder Kollegen aus einer anderen Organisation sah, entschloss ich mich, mich in das Frauenkontingent zu integrieren. Von diesem Ort marschierte ich still bis zur Kreuzung Simbolos Patrios und Periférico hinter ihnen, da ich die Parolen, die sie begeistert riefen, nicht kannte.

Am Beginn des Periférico begann sich die Marschfolge aufzulösen, da die Strasse (Fiallo), die ins Zentrum führt, sehr eng ist. Deshalb kam das Kontingent auf der Höhe wo ich lief durcheinander. Als ich an die Ecke Fiallo und Arteaga kam, traf ich Edgra Alejandro Molina Cuevas, den ich schon eine Zeit lang nicht mehr gesehen hatte. Edgar reihte sich in das Kontingent ein, und uns unterhaltend liefen wir bis zum Endpunk des Marsches, dem Park „Labastida“. Es dürfte ungefähr 16.30 Uhr gewesen sein, als Edgar Alejandro und ich zum Markt „20 de noviembre“ gingen, wo wir unseren Hunger in ein einem der Lokale stillten, in dem Fleisch gegrillt wird.

Nach mindestens einer Stunde verließen wir den Markt „20 de noviembre“ und gingen zu Edgar Alejandros’ Haus, das sich in der Strasse Xicotenactl Nr. 19, Zentrum, Oaxaca befindet. Dort blieben wir eine halbe Stunde, und unterhielten uns mit seinen Familienangehörigen, die gerade ihr Essen beendeten. Nachdem ich eine Bowle getrunken hatte, gingen Alejandro und ich Richtung Busbahnhof ADO in der Absicht ein Ticket nach Zintalapa, Chiapas zu kaufen, wo ich an einer Versammlung des Netzwerks „Grupo de Trabajo sobre la Infancia, Educación y Educación Indígena“ teilnehmen sollte.

Als wir das Haus meines Freundes Edgar veließen, liefen wir die Strasse Xicotencatl entlang, die nach einigen Blocks zur Strasse Pino Suárez wird. Wir gingen weiter und nachdem wir den Park „El Llano“ passiert hatten, genau hinter der Kirche der Guadelupe, stoppte uns eine Gruppe von in Zivil gekleideten Männern, die auf einem weißen Pickup ohne Nummernschild fuhren. Einige von ihnen sprangen vom Wagen und einer von ihnen holte eine Pistole hervor, nahm die Kartusche heraus und schlug mich mit dem Waffenlauf; mich an den Haaren zerrend und auf verschiedene Körperstellen schlagend, brachten sie mich auf die Ladefläche des Pickups.

Ich wusste nicht, wohin sie uns brachten, da wir liegen fahren mussten und unsere Fänger auf uns saßen. Sie traten uns auf die Extremitäten. Mir traten sie auf die Finger und wegen dem Schmerz habe ich mich beschwert, worauf sie mir befahlen mich nicht zu bewegen und keinen Lärm zu machen. Nachdem wir durch die Strassen der Stadt gefahren sind, kam das Auto an einen Ort, der im Dunklen lag. Man holte mich vom Pickup herunter und befahl mir den Kopf weiter gesenkt zu halten und den Blick auf keinen Fall zu heben.

Da ich lange Haare hatte (bis zur Mitte des Rückens), wurde ich an Haaren und Kleidung zwischen den auf dem Hof geparkten Autos hindurch gezerrt. Ich bedeckte mit den Händen meinen Kopf, was mich zum wiederholten Male vor Verletzungen geschützt hat, da sie absichtlich versuchten, mich gegen die geparkten Fahrzeuge zu stoßen. Als wir in ein Zimmer kamen, ließen sie mich los und befahlen mir, die Augen geschlossen zu halten und mich meines persönlichen Eigentums zu entledigen, das da ist: die Brieftasche, der Gürtel und die Turnschuhe. Sie nahmen mir auch die Brille und meine Hausschlüssel weg. In der Brieftasche hatte ich 780 Pesos.

Als sie die Tasche untersuchten, den ich vor der Brust trug, fanden sie eine kritische Zeitschrift, Buchkopien, die aktuelle Ausgabe der Tageszeitung „Noticias“ und meinen Kalender. Während sie mir meine Kleidung abnahmen (mit Ausnahme der Unterhose), begannen sie mit der Befragung zu meinen persönlichen Daten, Name, Anschrift, Herkunftsort, Arbeitsstelle, aber vor allem legten sie Wert darauf zu erfahren, ob ich irgendeinen „pez gordo“ (Anführer) der APPO kenne.

Als nächstes verbanden sie mir die Augen mit einem Klebeband und fingen wieder an, mir noch ein paar Mal die Fragen über meine persönlichen Daten zu stellen. Erneut fragten sie mich, ob ich Anführer der APPO kenne, aber diesesmal versetzten sie mir Elektroshocks in der Nase, was für mich unerträglich war. Ich schrie, ich weinte und flehte sie an das nicht mehr zu machen. Ich sagte ihnen mit aller Deutlichkeit, das ich keinen Anführer der APPO kenne und keiner von diesen mein Chef sei, wie sie behaupteten. Einmal habe ich meine verweinten Augen aufgemacht und konnte vor mir eine Person mit Schlitzaugen sehen, die etwas grösser war als ich. Das war alles, was ich von ihm sehen konnte, weil er das Gesicht mit einer Sturmhaube verdeckt hatte.

Als sie sich überzeugt hatten, das ich nichts für sie Wichtiges wusste, befahlen sie mir, mich, so in der Unterhose wie ich war, mit dem Gesicht nach unten auf den Betonboden zu legen. In dieser Position banden sie mir die Arme hinter dem Rücken zusammen. Mit einem dünnen Faden banden sie mir die Daumen ab, in der Androhung sie mir abzuschneiden. Ich diesem Moment, glaubte ich, dass sie das tatsächlich tun würden und flehte sie erneut an, es nicht zu tun.Ich kenne den Grund nicht, warum sie mir befahlen mich anzuziehen. Und als ich fertig war, erlaubten sie mir, mich an die Wand gelehnt auf den Boden zu setzten, mit angezogenen Beinen, die Arme über ihnen und den Kopf zwischen den Knien. Man hörte Schritte, die hereinkamen und herausgingen aus dem Ort, an dem ich mich befand und danach Stille.

In dieser Position war ich eine ganze Weile bis der Schmerz in den Gesäßmuskeln unerträglich wurde und ich mich bewegen musste. Als ich das machte, befahl mir eine laute Stimme, das zu unterlassen. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich nicht allein war, dass uns jemand bewachte. Die nächsten Male wurde ich auf den Kopf, in die Seite und auf die Beine geschlagen, wenn ich mich bewegte.

Ich war sehr erleichtert, als mir jemand befahl, die Position zu verändern und mich mit dem Gesicht zur Wand hinzuknien. Aber nach einer ganzen Weile wurde auch diese Position unerträglich und als ich mich bewegte, wiederholten sich die Schläge. Danach war alles still. Ich weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist, bis jemand kam, der mir befahl, mich hinzustellen und zusammen mit meinem Freund Alejandro wurden wir von dem Ort weggebracht.

Sie führten mich wieder zwischen den geparkten Fahrzeugen hindurch bis zu einem Pickup, auf den sie uns zwei hinaufschafften und einige Minuten später noch andere Gefangene.Zwei Bewacher fuhren mit uns, und in ihren Unterhaltungen sagten sie, dass sie uns vergewaltigen würden. Die Fahrt dauerte nicht lange und erneut mussten wir schnell absteigen und einige Meter geduckt laufen, bis wir die Anordnung erhielten, stehen zu bleiben und uns auf den Boden zu knien ohne Lärm zu machen.

Nach dem was man hörte, kam es mir so vor, als ob wir am Rand einer Strasse waren, da man ab und an Motorengeräusche vorbeifahrender Autos hören konnte. Ich dachte, sie hätten uns heruntergeholt, um uns zu exekutieren. Ich stellte mir vor, in jedem Moment einen Schuss zu hören und ich stellte mir vor zu sehen, wie der Körper von einem von uns schwer auf den Boden fällt und gleich darauf der andere. Das machte mir eine Weile schreckliche Angst.

So hingekniet wie wir waren, fragten sie uns nach unseren Namen, was mich freute, als ich hörte, dass mehrere Personen mit uns waren. Und ich fühlte eine grosse Erleichterung, als ich meinen Namen sagen musste, den ich schrie, damit die anderen ihn hören konnten und jemand wusste, dass ich gefangen wurde, falls sie mich verschwinden liessen.Danach schafften sie uns mit Gewalt und uns hochhebend auf die Ladefläche eines anderen Pickups.

Jetzt waren wir eine grössere Zahl, weil sich die Körper einen über die anderen schichteten. Wieder fragten uns einige Personen aus, aber diesesmal stellte mir einer von ihnen den Stiefel aufs Gesicht und trat mir auf mein rechtes Ohr und auf die Backe. Der Schmerz war sehr intensiv und als ich versuchte, mich zu bewegen, trat er mit seinem Stiefel noch fester zu.

In dieser Position transportierten sie mich ungefähr eine Stunde lang bis wir, wie ich später wusste, im Gefängnis Tanibet in Tlacolula, Oaxaca ankamen.Als wir endlich an unserem „Ziel“ angelangt waren, holten sie uns von den Pickups herunter, wobei ich einen Turnschuh verlor, und befahlen uns wieder, uns hinzuknien. In dieser Position zwangen sie uns einige Meter vorwärts. Und nachdem ordnungsgemäß unsere Namen genannt wurden, stellten wir uns hin und formierten uns. Meine Augen waren immer noch verbunden.

Als ich an der Reihe war, begann ich vorwärts zu gehen und sofort spürte ich eine Hand, die mir die Binde von Augen riß. Das erste was ich sah waren die Reflektoren und eine Reihe von Personen in blauen Uniformen. Unter Stößen, Schlägen, Hänseleien und Drohungen ging ich zwischen ihnen vorwärts. Am Ende der Hürde wurde ich an den Armen gepackt, die nach hinten gebunden waren, und ins Innere des Gefängnisses gebracht.

In diesem Monat und 15 Tagen, die ich eingesperrt bin, wurde ich mit anderen 141 Gefangenen zum CEFERESO Nr.4 von Tepic Nayarit verlegt, wo seit meiner Verlegung, meiner Einlieferung und meines Aufenthalts meine individuellen Rechte, die mir die Politische Verfassung der Vereinigten Mexikanischen Staaten gewährleisten, nicht respektiert wurden.

Wegen all dem oben Erwähnten fordere ich, dass ich unverzüglich und ohne irgendwelche Bedingungen freigelassen werde, da ich eine unschuldig bin.

Hochachtungsvoll

Felipe Sánchez Rodríguez

GRACIAS POR SU SOLIDARIDAD Y APOYO.
COMISIÓN DE SEGUIMENTO

Oaxaca de Juárez al 07 de febrero, 2007

 

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