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Arbeit und Leben,
Grundsicherung
 

Visionen und Perspektiven

von Andrea Thieme

07.03.2005

Neuerdings gilt Armut als Folge moralischen Fehlverhaltens.

Arbeitslosigkeit ist grundsätzlich ein Leben in einer Schuld gegenüber allen anderen; Geldentzug via Hartz IV ist die Strafe für dieses Verbrechen. Die deshalb nötige soziale Eingliederung nimmt den Charakter von Disziplinierungsmaßnahmen an; dagegen geleisteter Widerstand wird als moralische Verfehlung gewertet. Durch ritualisierten Nachweis der Verfügbarkeit unter Einschluss von Entzug der Bewegungsfreiheit soll der Arbeitslose „resozialisiert“ werden, d. h. mit Gewalt wird er einem Ausbeutungsverhältnis zugewiesen. Sinnlose Bewerbungen, die an der reinen Anzahl gemessen werden, um die „Arbeitswilligkeit“ zu dokumentieren, sind ein Mittel dazu.

Dass Gelderwerb die alleinige Sinnstiftung eines Lebensentwurfs sein muß, widerspricht der Tatsache, dass viele Arbeitslose ihre Muße genießen und dazu nutzen, sich einen Lebensentwurf jenseits von monetären Verwertungsinteressen zu organisieren.

Dass erst das "Gebrauchtwerden" einem Leben Sinn gibt, ist auch so ein Mythos. Bislang wurde er gern gegen Frauen und Arbeitslose in Anschlag gebracht, um die Disziplinierung zu erreichen

Kurz gesagt, mir fehlt grundsätzlich der Gedanke "Weg von der Arbeitsmythologie". Es reicht nicht, Arbeit neu zu verteilen; damit einhergehen muss der Gedanke, dass jeder Mensch durch sich selber einen Wert hat, nicht erst durch seine Einbeziehung in ein emotionales, soziales oder monetäres Ausbeutungsverhältnis.

Dass Arbeitslose sich auch ohne erzwungene Ausbeutung wohlfühlen, darf kein Tabu mehr sein. Dabei ist der Arbeitslose auch nicht als sozial schwach zu bezeichnen – Freunde und Teilhabe in der Gesellschaft hat er nach wie vor – sondern er ist finanziell schwach.

Daher fordern wir – wir Glücklichen Arbeitslosen, ich gehöre dazu – nicht etwa einen Kampf gegen Arbeitslosigkeit, kein Recht auf Arbeit, sondern ein Ende der Verarmung, und ein Ende der Disziplinierung:

Ein Bürgerrecht auf Nicht-Arbeit!

Literatur:

Manifest der glücklichen Arbeitslosen TAZ Nr. 5495 vom 30.03. 1998, Seite 12, Meinung und Diskussion
Der Kampf um das Recht auf Arbeit geht genau in die falsche Richtung, Gastkommentar
TAZ Nr. 5499 vom 03.04.1998, S. 12 taz-Debatte, Meinung und Diskussion

 

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